Als ich letzte Woche zu nachtschlafender Zeit ins Bad schlurfte, dachte ich zuerst, dort hätte sich unvermittelt eines dieser Raum/Zeit-Dimensionstore geöffnet, die bei Raumschiff Enterprise immer dann zum Einsatz kamen, wenn den Drehbuchautoren trotz massiven Einsatzes von Drogen und Dresche nichts Originelles einfallen wollte. Auf der anderen Seite schrieb man das Jahr 1972 und ein sichtlich übernächtigter Paul Breitner starrte mich aus trüben Augen an. Einen Moment später erkannte ich mein Spiegelbild und beschloß just im selben Moment, einen Termin bei der Friseurin meines Vertrauens zu vereinbaren.
Zur Friseurin meines Vertrauens habe ich ein besonderes Verhältnis. Sie schätzt an mir, daß ich "erfischend ordinär" bin und belebt das Gespräch ab und an mit der Rekapitulation von Passagen aus dem Werk des Marquis de Sade, die von solcher Abartigkeit sind, daß selbst dem hartgesottensten Holländer ein leises "Mama!" entfahren würde. Da will ich natürlich nicht hinten anstehen und bediene mich jener Geschmacklosigkeiten, die ich Euch, liebe Leser, aus Sorge über des Googelns mächtige potentielle Arbeitgeber für gewöhnlich vorenthalte. Viel interessanter als die so entstehenden Dialoge ist allerdings stets die Überlegung, was wohl in diesen Augenblicken in den von Lockenwicklern und Trockenhauben verzierten Köpfen der umsitzenden alten Damen vor sich geht.
Jedenfalls: gestern war es wieder so weit. Da sich meine Vorgängerin spontan für eine Dauerwelle entschieden hatte, mußte ich zunächst eine halbe Stunde warten; ein glücklicher Zufall, denn die Lektüre der ausliegenden Klatschblätter erwies sich als überraschend unter- haltsam. Ich habe nicht nur erfahren, worunter Lady Di am meisten gelitten hat ("Sie wünschte sich stets einen Labradorwelpen, doch Charles blieb unerbittlich"), sondern konnte sogar Munition für das wenige Minuten später beginnende Gespräch zwischen der Friseurin meines Vertrauens und mir sammeln, weil eine Frau dem Kum- merkasten-Tierdoktor mit viel Liebe zum Detail die Angewohnheit ihres Hundes schilderte, seine eigene Scheiße zu fressen ("Das sollte er nicht", mahnte der Doktor streng, "das ist unhygienisch.").
Ansonsten sind die alten Damen diesmal glimpflich davon gekommen, wenn man von einer Würdigung der besten Szenen aus Fight Club sowie der Erörterung der Frage, wie oft Menschen tatsächlich bei ihrer Einlieferung ins Krankenhaus behaupten, in der Dusche ausgerutscht und mit dem Hintern in der Obstschale gelandet zu sein, absieht. Es ist eben ein besonderes Verhältnis, das ich mit der Friseurin meines Vertrauens pflege.
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