Gerade eben komme ich zur Haustür und sehe, wie ein Mann vorne übergebeugt mit dem Kopf an der Gegensprechanlage (die sich in Hüfthöhe befindet) lehnt. "Ein Handwerker", denke ich "der irgendeine Malerarbeit oder etwas ähnliches begutachtet."- zumindest, bis ich näher komme und aufgrund seiner Alkfahne beinahe aus den Galoschen kippe. Offensichtlich hat jemand aus der Hausgemeinschaft einen Bekannten zum Kaffee eingeladen.
Da ich mit lieben Gästen in der Berliner Straße nicht nur gute Erfahrungen gemacht habe, versuche ich, am Briefkasten Zeit zu schinden. Doch der Besucher hält sich an der Tür zum Treppenhaus fest, sieht mich so durchdringend an, wie es ihm in seinem Zustand möglich ist, und sagt:
"Woouuhwsnnnduhhinn?"
"Bitte...?"
"Woouuduhinnwlls!"
"Ähm- in den vierten Stock?", rate ich.
Siehe da. Er wartet mit dem Aufzug, bis ich meine Post durchgesehen habe. Schließlich stehen wir beide in der Kabine, er lehnt sich an die Wand und sieht mich so durchdringend an, wie es ihm in seinem Zustand möglich ist:
"Woouuhwsnnnduhhinn?"
"In den vierten Stock!", sage ich mit einem aufmunternden Lächeln.
Schweigend dreht sich der Besucher um neunzig Grad in Richtung Bedienfeld (dieser Vorgang dauert etwa zehn Sekunden), hebt den Arm, klappt einen Zeigefinger aus und bewegt diesen mit einem Gesichtsausdruck allerhöchster Konzentration sowie einer Geschwin- digkeit von fünf Zentimetern pro Sekunde nach vorn, bis die Taste für den dritten Stock gedrückt ist. Als sich die Türen im dritten Stock öffnen, überlege ich einen Moment, ob ich uns beiden den Gefallen tun und aussteigen soll- zumal er sich soeben mit ernster, ja beinahe feierlicher Mine von mir verabschiedet. Ich bleibe:
"Nein, nein- ich muß in den Vierten."
Sein Miene wird mißtrauisch- vielleicht möchte ich ihn verarschen? Aber da sind wir auch schon angekommen und ich husche eilig zu meiner Wohnungstür...
|