Ich habe der Versuchung widerstanden, ans Fenster zu rennen und mir das Spektakel anzuschauen; ich kann die Geschehnisse also nur aufgrund des Lärms rekonstruieren, aber davon gab's reichlich.
Gegen zwei Uhr nachts wurde ich durch lautes Geschrei direkt vor dem Haus aus dem Schlaf gerissen. Offensichtlich ist zwischen einem Mitglied der Wohngemeinschaft Berliner Str. 40 und jemand anderem (ebenfalls ein Mitbewohner?) ein heftiger Streit ausgebrochen. Ich vermute das aufgrund der Aggressivität in den Stimmen. Da einer der beiden aber regelmäßig "Das ist mein bester Freund!" gebrüllt hat, bin ich möglicherweise auch lediglich Zeuge eines unge- wöhnlichen Rituals der Zuneigungsbekundung geworden. Wer weiß? Die Friedrichstadt ist und bleibt das Disneyland der Soziologie.
Jedenfalls: nach etwa drei bis vier Minuten öffnete ein weiterer Hausbewohner, der die beiden zu kennen schien, sein Fenster und versuchte zu schlichten. Das wäre ihm möglicherweise besser gelungen, wenn er nicht regelmäßig für die eine oder andere Seite Partei ergriffen hätte. Im Ergebnis wurden Streit und Lautstärke erheblich verstärkt; die Zeit verstrich. Vereinzelt gab es Augenblicke der Stille, die dann wieder vom Geräusch zerplatzender Bierflaschen und dem Getrampel und Gegrunze aufeinander einschlagender Menschen zerissen wurde. Dazwischen jede Menge Geschrei.
Nach ungefähr einer Viertelstunde kam dann vermutlich die Polizei: ein Auto fuhr zügig die Berliner Straße entlang, hielt, und augenblicklich herrschte Ruhe. Und mir wurde die Richtigkeit meines Entschlusses, nicht mehr direkt vor dem Haus zu parken, ein weiteres mal bestätigt...
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