Mittwoch, Juli 05, 2006

Kleinbloggersdorfer Befindlichkeiten

Die Sau, die derzeit durch Kleinbloggersdorf getrieben wird, ist so alt wie die mediale Perzeption der Welt: inwieweit ist die Objektivität von Bloggern, die durch direkte, indirekte und/oder Schleichwerbung ein paar Euro dazuverdienen, in Frage gestellt?. Im Waschsalon steht dazu viel Wahres.
Es wird aber in der Regel nicht das Geld der Werbekunden sein, daß die Integrität der Bloggosphäre untergräbt. Bei den traditionellen Massenmedien ist das anders: erstens ist ihre Verbreitung teuer- ohne Werbeeinnahmen wäre eine konkurrenzfähige Tageszeitung gar nicht finanzierbar. Zweitens erreichen sie einen viel größeren Personenkreis, wodurch sich für Unternehmen der Versuch lohnt, einflußreiche Journalisten im großen Stil zu bestechen. "Moooment!", höre ich einige Leser an dieser Stelle rufen: hat nicht genau diese Fehleinschätzung den Kopierschutz von Sony zu Fall gebracht und eine Richterin des Bremer Sozialgerichts in die Knie gezwungen, um nur zwei prominente Beispiele der letzten Monate aufzuzählen?
Das ist wahr. Man darf aber nicht übersehen, welcher Natur solche sich in Windeseile verbreitenden Nachrichten sind. Entweder sie betreffen uns alle wie im Fall des Kopierschutzes, oder zumindest alle Blogger. Welcher Online-Autor hat nichts Angst davor, wegen irgendeiner Banalität abgemahnt zu werden? Oder sie sind amüsant, was dem New Yorker U-Bahn-Exhibitionisten, der sich unge- schickterweise beim öffentlichen Onanieren fotografieren ließ, zum Verhängnis wurde. Aber was schert es mich, daß Frau Pia zu Testzwecken vier Wochen lang einen Opel unter dem Hintern hatte?
"Siehst du? Du hast die Marke erwähnt, und schon hat die Werbung funktioniert."- mag sein. Entscheidend ist aber nicht die Werbewirksamkeit solcher Maßnahmen, sondern daß der schnelle Aufbau einer Gegenöffentlichkeit unter Bloglesern nur bei Dingen funktioniert, die sie zum Lachen oder zum Schäumen bringen. Auch die Opel-Aktion ist ja letztlich nur dadurch wirklich bekannt geworden, daß sich andere Blogger daran gerieben haben. Fazit: die wenigsten Blogger werden in solchem Maße bestochen werden, daß von finanziellen Abhängigkeiten die Rede sein kann.
Was den Motor des neuen Mediums wirklich antreibt, ist nicht Geldgier, sondern Eitelkeit. Machen wir uns nichts vor- in wenigen Subkulturen sind Selbstdarstellung und -beweihräucherung so gang und gäbe wie unter Bloggern. Träumen wir nicht alle von dem Moment, in dem wir verächtlich darüber posten können, wie völlig egal uns der am Vortag erfolgte Eintrag im Schwanzvergleich ist? Da schmeichelt es natürlich gewaltig, wenn man von Opel oder AMD als bedeutend genug angesehen wird, um zum Produkt-Tester auserkoren zu werden. So gesehen untergräbt die Werbekundschaft die Objektivität der Blogs nicht, sondern nutzt lediglich aus, was an Bereitschaft zur Prostitution schon immer vorhanden war.
Womit ich niemand pauschal unterstellen will, nicht im Rahmen des innerhalb der Konstruktivismustheorie Möglichen objektiv zu sein. Manche werden in der Hoffnung auf weitere Gunsterweise ihren Werbekunden Honig ums Maul schmieren, andere werden integer genug sein, es nicht zu tun. Was bleibt, ist eine Erkenntnis, die ebenfalls so alt ist wie die mediale Perzeption der Welt: man darf halt nicht alles glauben, was man liest.