Am 8. September 1941 beginnt die deutsche Belagerung von Leningrad. Sie dauert fast 900 Tage und gehört zu den größten und grausamsten Verbrechen, die von Deutschland im Zweiten Weltkrieg begangen werden, denn es geht nicht um die Einnahme der Stadt - Hitler verbietet es der Wehrmacht ausdrücklich, eine Kapitulation Leningrads anzunehmen. Statt dessen ist das Ziel die Vernichtung der Bevölkerung, deren Versorgung man auf deutscher Seite weder sicherstellen kann noch will. Gänzlich unerheblich ist diesbezüglich der Einwand diverser Apologeten, die Wehrmacht sei gar nicht zur Eroberung in der Lage gewesen: Der Massenmord durch Verhungern ist im Herbst 1941, als der deutsche Angriff noch scheinbar unauf- haltsam gen Osten rollt, bereits beschlossene Sache; das belegen zahlreiche Dokumente. So nimmt eine humanitäre Katastrophe ihren Lauf, der bis zum Tag der Befreiung am 18. Januar 1944 eine Million Bürger Leningrads zum Opfer fallen werden.
Naturgemäß sind aus der Zeit der Blockade zahllose erschütternde Einzelschicksale überliefert: die Menschen ernähren sich von Tapetenkleister und Schmierfett, Ledergürtel werden ausgekocht, es kommt zu Fällen von Kannibalismus. Ein Assistent des russischen Botanikers Nikolai Wawilow stirbt an Unterernährung, weil er der Nachwelt eine kostbare Sammlung von 200.000 verschiedenen Pflanzensamen unversehrt erhalten will. Gleichzeitig legen viele der Eingeschlossenen ein beeindruckendes Maß an menschlicher Größe und Würde an den Tag, so unter anderem annähernd tausend Hochschullehrer, die trotz Hunger, Kälte und dem andauernden Bombenhagel demonstrativ weiter unterrichten und prüfen.
Die Zeit veröffentlicht zum Jahrestag einen ausführlichen Artikel über die Belagerung, den Ihr Euch hier durchlesen könnt.
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