Freitag, September 29, 2006

Nachruf auf eine Legende

...oder:

Wer zum Henker ist Fritz Fuchs?!
Es gibt Momente, in denen stirbt ein Stück Kindheit. Das ging mir zum Beispiel so, als ich mit elf im Zimmer meines älteren Bruders eine leere Bierdose entdecken mußte. Bier - das war das Getränk der Väter, ein Insigne von Würde, Weisheit und Autorität der Menschen, die morgens mit einem Köfferchen in der Hand aufbrachen, um ins 'Geschäft' zu gehen. Das 'Geschäft' war ein mystischer Ort, an dem die wenigen ebenso klugen Männer um ein Feuer saßen und Rat hielten über den Lauf der Welt. Was hätte mir diese tröstliche Illusion gründlicher rauben können als die Erkenntnis, daß mein Herr Bruder, der zu behaupten pflegte, nur er wisse, wie man einen Joystick im Affekt so an die Wand wirft, daß er dabei keinen Schaden davonträgt, ebenfalls gerne mal ein Schlückchen in Ehren genoß?
So erging es mir auch, als letzte Woche 'Fritz Fuchs' als Gast bei Kerner eingeladen war. "Fritz Fuchs, Fritz Fuchs... der Abenteurer? Nein, der heißt anders...", höre ich Euch sagen, und Ihr habt völlig recht. Niemand kennt Fritz Fuchs, und wenn es nach mir ginge, würde das so bleiben. Wenn es nach mir ginge, hätte allerdings auch Dieter Bohlen Auftrittsverbot, bei gewissen Leuten im Haus würde die Stereoanlage den Geist aufgeben und Schweine wären quadratisch, damit der Schinken nicht immer so bescheuert über den Toast Hawaii raushängt. Will sagen: die Realität schert sich nicht das Schwarze unterm Fingernagel, was ich will und was nicht, und so werde ich eben auch Fritz Fuchs ertragen müssen.
Der ist nämlich nach den sinistren Plänen des ZDF Nachfolger von Peter Lustig und soll Löwenzahn mit seinem Anblick besudeln. Dabei ist es schlechterdings unmöglich, diesen Mann zu ersetzen: eine derartige Fleischwerdung des Öko-Gutmenschentums der 70er Jahre konnte ausschließlich im Refugium des blauen Bauwagens zu Bärstadt überleben. Alles an diesem Mann war authentisch; die Latzhose, die 'fetzige' Do-it-yourself-Einrichtung des Bauwagens, der naiv-stau- nende Tonfall ob der Erkenntnis, daß der Strom eben nicht einfach nur so aus der Wand kommt. Durch den Nachbarn Paschulke, Archetypus des ignoranten Kleinbürgers, wurde den Kindern der Wackersdorf-Generation auf einfühlsame Art nahegebracht, wie man sich ein Arschloch vorzustellen hat. Und selbst der Vorspann, bei dem unzählige Löwenzahnblüten zu den Klängen einer gezupften Gitarre die Straßen Bärstadts überwuchern, atmet auf eine unverfälschte Weise den Geist der späten 70er und frühen 80er, daß mir schon beim Gedanken daran warm ums Herz wird.
Das war nämlich eine bessere Zeit, damals. Nicht wegen der Mode, oder der Musik, oder gar wegen des Öko-Gutmenschentums (Himmel, hilf!). Nein, es war eine bessere Zeit, weil einen morgens die Mama geweckt hat statt eines Stücks Elektronik aus Japan, weil 'noch fünfmal schlafen bis Weihnachten' eine Ewigkeit war und weil es beim Metzger immer noch ein Wurschträdle dazu gab, für das man artig danke sagte. Es war die Zeit, in der Väter aus dem Haus gingen, um an mystischen Orten mit den wenigen ebenso klugen Männern Rat zu halten über den Lauf der Welt.
Wann immer ich Peter Lustig auf dem Bildschirm gesehen habe, war es wie ein Fenster in eine Zeit, in der noch alles in Ordnung war. Nun hat er also die Latzhose an den Nagel gehängt und ist aus dem Bauwagen ausgezogen, mit einem Stück meiner Kindheit im Gepäck. Es ist ja nicht so, daß ich ihn nicht verstehen kann: der Mann ist 68 und hat nach mehreren Krebs-OP's nur noch einen Lungenflügel (ja,ja, ich weiß - auf diese Information hättet Ihr verzichten können. Aber warum soll's Euch besser gehen als mir?). Er hat sich seinen Ruhestand redlich verdient. Aber warum um alles in der Welt versucht man zu ersetzen, was unwiederbringlich vorbei ist? Man hätte die Sendung einfach in Würde auslaufen lassen sollen. Oder ein stilechtes Ende für die Serienfigur Peter Lustig finden: zum Beispiel von drei Beamten der bayrischen Bereitschaftspolizei auf einer Castor-Demo totgeschlagen...