Eine Freundin, deren Eltern ein wenig Nutzvieh halten, gab neulich folgende Geschichte zum Besten, die sie dankenswerterweise als Gastbeitrag für meine Ecke aufgeschrieben hat:
Die Geschichte eines Schafes, welches das Vorrecht hatte, im trauten Familienkreis heimzugehen
Es war ein milder Oktobermorgen. Die aufgehende Sonne glitzerte im taubenetzten Gras, welches alsbald die letzte Mahlzeit eines glücklichen Schafes werden sollte. Dieses wurde gemeinsam mit seiner Mutter und seinen beiden Geschwistern unter gutem Zureden eines Menschens auf die Weide geführt und stürzte sich sogleich auf die letzten saftigen Blätter, die der Herbst noch zu bieten hatte. Nach einiger Zeit legte es sich zufrieden in den goldenen Oktobersonnenschein, ließ sich den Wind um die Ohren säuseln, kaute genüsslich wieder und döste vor sich hin.
Stunden später: Ein kleiner weißer Pickup fuhr rasant im Hof neben der Weide ein und heraus sprang ein vierschrötiger, dünnhaariger Fleischer mit langer blutverschmierter Schürze, deren ursprüngliche Farbe wohl einmal weiß gewesen sein mußte. Gutgelaunt stellte er einen Holzbock bereit, schliff noch einmal sein Schlachtmesser und wies die Frau des Schafbesitzers an, einen Eimer heißes Wasser zu bringen. Auf die Bedenken der Tochter des Schafbesitzers, wie sich wohl das Schlachten eines Schafes vor den Augen der anderen auf deren Psyche auswirken mag, lachte er vergnügt auf, denn Schafe seien dumm. Fröhlich stieg er über den Weidezaun (bei dem vorher wohlweislich der Strom abgeschaltet worden war) und fixierte das auserwählte Lamm. So blitzschnell, wie es seine nicht mehr ganz taufrischen Knochen zuließen, stürzte er darauf zu und krallte sich in der Wolle fest. Doch das Schäfchen war nicht auf den Kopf gefallen und witterte die Todesgefahr. Furchtbar erschrocken wollte es davonspringen, doch wie jeder guten Geschichte gab es auch hier ein Happy End: Der Fleischer fiel zwar zu Boden, ließ das Vieh aber nicht los und fesselte es schließlich. Gewandt hievte er es auf den Holzbock, donnerte ihm ordentlich auf den Kopf und schnitt kurzerhand die Kehle durch. Der gurgelnd – röchelnde Laut ließ nicht nur den Zuschauer erstarren, sondern auch die restliche Schaffamilie stand stumm und fassungslos. Geschockt und andächtig schauten sie zu, wie das Mitschaf allmählich von geschickten Händen zerlegt wurde: zuerst das Fell ab, dann die Bauchdecke vorsichtig geöffnet, unbrauchbare Innereien landen in einem bereitstehenden Schub- karren, Nieren, Herz und Leber in einer extra Schüssel, der Dünndarm sorgsam gereinigt, welcher in einigen Monaten Wiener Wurst sein wird.
Memento mori.
Schön, daß im Vogtland noch im Kreise der Seinen gestorben wird! Soweit der O-Ton von Christina, die übrigens nicht nur schreibt, sondern auch malt und zeichnet. Einige ihrer Bilder könnt Ihr hier und hier bestaunen (und auf Anfrage gern käuflich erwerben, so sie noch zu haben sind).
Tags: Bizarres
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