Dienstag, November 21, 2006

So sicher wie das Amen in der Kirche

Welchen Sender man gestern auch wählte, es gab in den Nachrichten nur ein Thema - und wie es bei diesem Thema unausweichlich ist, tauchte auch ein ganz bestimmtes Wort wieder und wieder auf: Counterstrike. Geradezu 'fanatisch' soll der Täter von Emsdetten den Shoo das Killerspiel gespielt haben, verkündete mir irgendeine Anchor-Frau mit jenem Gesichtsausdruck zwischen Besorgnis und Empörung, der für das ganz große Versagen der Politik reserviert ist.
Die reagierte dann auch so reflexartig wie vorhersehbar; es wäre müßig, das wohlbekannte Geschrei nach einem Verbot von gewaltverherrlichenden Spielen (das längst existiert) an dieser Stelle im Detail dokumentieren zu wollen. Bemerkenswert erscheint mir jedoch, daß ausgerechnet der Grüne Volker Beck, dessen Partei sich bisher bei solchen Diskussionen eher durch Gutmenschentum der Marke "Gut gemeint ist nicht gut gemacht" ausgezeichnet hat, recht vernünftige Äußerungen tätigt: "Wenn die Informationen zutreffen, dass der Täter gesellschaftlich isoliert war und seine Zeit haupt- sächlich mit dem Spielen von Killerspielen verbracht hat, dann muss jetzt verstärkt eine Debatte um Förderung von Medienkompetenz und einer sinnvollen Computernutzung geführt werden" (SpOn).
Überzeugend ist dabei weniger der Wunsch nach einer Debatte um Förderung der Medienkompetenz. Erstens führen wir sie längst, zweitens kommt bei solchen unverbindlichen Debatten nichts raus außer dem Gefühl, jetzt endlich mal was getan zu haben, und drittens beißt sich die westliche Welt seit Jahrzehnten die Zähne daran aus, der breiten Bevölkerung Medienkompetenz zu vermitteln. Letzteres zeigt sich im Übrigen auch daran, wie unkritisch selbst die idiotischsten und uninformiertesten Forderungen nach einem Verbot von 'Killerspielen' nachgeblökt werden - QED.
Dennoch muß man an diesem Statement immerhin zwei Dinge würdi- gen: erstens impliziert die Formulierung "Wenn die Informationen zutreffen...", daß man sich vor Ende der Ermittlungen vor allzu schnellen Schlüssen hüten sollte. Zweitens impliziert die Formulierung "...dass der Täter gesellschaftlich isoliert war und seine Zeit hauptsächlich mit dem Spielen von Killerspielen verbracht hat", daß Computerspiele beim aktuellen Amoklauf zwar eine Rolle gespielt haben mögen (was zweifellos denkbar ist), aber nicht die Haupt- ursache waren (was zweifellos Blödsinn ist).
Da könnte sich mancher Provinz-Populist eine Scheibe abschneiden.