Das Wort Tabu ist dem Polynesischen entlehnt und bedeutet dort so viel wie 'unverletzlich'. Das kann sich auf Kultstätten beziehen, deren Betreten für den Normalsterblichen verboten ist, aber auch auf Personen wie einen Stammeshäuptling, dem man selbst als gut zahlender Tourist nicht ohne ausdrückliche Aufforderung ans Ohr schnicksen sollte.
Ansonsten könnte man zapzarap im Kochtopf landen - würde aber zumindest mit einer weiteren Erkenntnis in Sachen Tabus belohnt werden: sie sind nämlich praktisch nie universell gültig, auch das sehr weit verbreitete Tabu des Kanibalismus nicht. Tatsächlich sind viele Tabus unmittelbar auf ihren Kulturkreis beschränkt und lösen bereits ein paar hundert Kilometer weiter Unverständnis aus. Warum man in Deutschland über Juden noch nicht mal harmlose Witze macht, ist für einen Amerikaner bisweilen ebenso schwer nachvoll- ziehbar wie für einen Deutschen die amerikanische Entrüstung über Bill Clintons Methode, Zigarren zwischenzulagern.
Wird ein Tabu gebrochen, führt das bei den Betrachtern zu eine ganze Palette von Emotionen: sie rangiert von Abscheu und Ekel bis hin zu höchster Erheiterung, letzteres vor allem aufgrund der Chuzpe, den Tabubruch überhaupt zu wagen. Dieser Effekt nutzt sich jedoch sehr schnell ab, wie der Trend in einer bestimmten Kategorie von amerikanischen Komödien à la American Pie zeigt. Löste beim Kinopublikum der 70er der lediglich angedeutete Fellatio an einer Aufblaspuppe (Die unglaubliche Reise in einem verrückten Flugzeug) noch wohlige Schauer aus, lassen einen die heutigen Machwerke dieses Genres weitgehend kalt, obwohl ein guter Teil der 'Witze' auf der expliziten Darstellung von Fäkalien, Sperma und Erbrochenem* beruht.
Ganz und gar nicht kalt läßt mich dagegen ein in Asien verbreitetes Tabu, das mich überhaupt erst zu diesem Post inspiriert hat: dort gilt es nämlich häufig als extrem unhöflich, sich in der Öffentlichkeit die Nase zu putzen. "Na, und?", werdet Ihr fragen. Ganz einfach: denen läuft sie ja trotzdem. Und wenn Schneuzen ausfällt, bleiben nur noch zwei Möglichkeiten. Entweder, man zieht alle zwei Minuten die Nase hoch. Das ist nicht nur ungesund, sondern wird von Europäern auch als unappetitlich empfunden. Mir wurde mal die Freude zuteil, einen ganzen Samstag lang einem erkälteten Kommilitonen aus Fernost gegenüber zu sitzen. Wirklich, alle zwei Minuten: "Schrfflnffllnchr!", gefolgt von einem nicht zu überhörenden Schluckgeräusch. Spätestens nach einer Stunde gehen einem da Dinge durch den Kopf, für deren Ausführung man unter Garantie Sicherungsverwahrung kassiert.
Die andere Möglichkeit konnte mußte ich vor einer Viertelstunde beobachten: man nimmt in der Toilette vor einem der Waschbecken Aufstellung, beugt sich leicht nach vorne, preßt einen Finger auf eines der beiden Nasenlöcher und atmet stoßartig und so oft wie nötig durch das andere aus. Dabei ignoriert man die Leute, die hinter einem stehen und sich eigentlich an dem dergestalt besudelten Becken die Hände waschen wollten. Sie werden früher oder später die Sanitäreinrichtung verlassen, bevor sie den Kampf gegen den Brechreiz verlieren - und sich mit ungewaschenen Pfoten an den Rechner setzen. Ist aber nicht so schlimm: die PC-Tastatur ist nämlich erwiesenermaßen ohnehin das Unhygienischste, was die moderne Welt zu bieten hat...
*bin gespannt, welche Suchergebnisse diese Kombination bei Google provozieren wird.
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