Dienstag, April 17, 2007

Die Rezension der Woche

In den letzten Wochen hat sich alle Welt zum neuesten Sandalen-Epos 300 geäußert - da kann und will ich natürlich nicht nachstehen und gebe auch noch meinen Senf ab. Interessant fand ich im Vorfeld, daß die Kritik in zwei Wellen kam. Zuerst schimpften die einen, der Film sei ein einziges gewaltverherrlichendes Abschlachten von Menschen und daher unethisch. Darauf lobten die anderen die beeindruckende visuelle Ausdruckskraft, die den Gang ins Kino rechtfertige. Mein Fazit: beide Seiten haben recht.
Tatsächlich ist 300 eine Gewaltorgie, wie man sie im Mainstream- Kino für gewöhnlich nicht zu sehen bekommt. Die fast durchgehend in Zeitlupe zu sehenden Schlachtszenen sind eine einzige Aneinan- derreihung von abgeschlagenen Gliedmaßen, spritzendem Blut und Körpern, die von Waffen durchbohrt werden. Dreimal fliegt ein abgetrennter Kopf sekundenlang so über die Leinwand, daß man den Zustand der Mandeln trotz des geschlossenen Mundes problemlos überprüfen kann. Richtig bedenklich wird das Gemetzel dadurch, daß den ganzen Film über keine Relativierung der spartanischen 'Werte' erfolgt: Ruhm und Todesverachtung sind alles, Mitleid und Friedliebigkeit sind nichts. Selbst, als sie nach einem Kampf um Gnade bettelnde Verwundete töten, sind die Krieger Spartas noch strahlende Helden. Erstaunlich, daß die Altersfreigabe bei 16 Jahren liegt.
Gleichzeitig punktet die Verfilmung des Frank Miller-Comics mit einer Optik, der man sich als Zuschauer kaum entziehen kann. Das beginnt schon bei den Spartanern selbst, deren durchtrainierten Körper nur dürftig von Sandalen, Umhang und Pseudo-Badehose verhüllt sind. Das garantiert einen stets freien Blick auf die Waschbrettbäuche, die dann auch bewußt und permanent in Szene gesetzt werden. In der Beschreibung mag das eher lächerlich klingen - doch im Gegensatz zu den italienischen Gladiatoren-Filmen der 60er wirkt es hier ganz und gar nicht unfreiwillig komisch, sondern absolut ästhetisch. Dazu trägt zweifellos bei, daß die Schauspieler zwar sehr athletisch, aber keine mit Anabolika überfütterten Muskelprotze sind.
Diese schönen Menschen agieren in hervorragend choreografierten Kampfszenen, die dem Ganzen eher das Gepräge eines entrückten Balletts als einer Schlacht geben. Andere Genre-Vertreter (namentlich Troja und Gladiator) wirken dagegen regelrecht plump und schwer- fällig. Abgerundet wird das Spektakel durch grandiose Bildkomposi- tionen, in denen die griechische Landschaft ebenso rauh und faszinierend wirkt wie die Männer, die sie (angeblich) hervorgebracht hat. Bei all dem hat man nicht nur kräftig, sondern auch gekonnt mit dem Computer nachgeholfen; die Effekte überzeugen in aller Regel, ohne dabei zu aufdringlich zu sein.
Was soll man nun unter dem Strich von 300 halten? Nicht nur die Körper-Ästhetik erinnert an die Werke von Leni Riefenstahl, sondern auch die Mischung aus stilistischer Brillanz und ethischer Frag- würdigkeit. Versöhnlich stimmen letztlich zwei Dinge: zum einen ist 300 mehr Fantasy- als Historienfilm, und nimmt auch nichts anderes für sich in Anspruch. Zum anderen wird die Gewalt nicht so sehr voyeuristisch dargestellt, sondern die Blutfontänen sind eher Teil des visuellen Gesamtkonzeptes. Bei einer Vergewaltigungsszene wird dagegen auf das Zeigen von (körperlicher) Brutalität verzichtet, und die Kamera blendet ab, sobald man als Zuschauer weiß, worum es geht. Ein Nachgeschmack bleibt insgesamt dennoch.
Wer weiß, worauf er sich einläßt, Genre-Fan ist und genug in der Birne hat, um der Botschaft des Films nicht auf den Leim zu gehen, sollte das Geld für eine Kinokarte investieren.