SpOn berichtet in einem langen Artikel über das "Springteufelchen Dresden", das "die überraschendste deutsche Technopole" sei. Verblüffend ist daran vor allem eins: die unglaubliche Arroganz und Voreingenommenheit von Autor Michael Kröher, der offensichtlich nie selbst in der sächsischen Landeshauptstadt war. Anders sind solche Sätze nicht zu erklären:
"Während die Innenstadt mit üppig vergoldeten Barockgebäuden [...] prunkt, erwecken die meisten der übrigen Stadtviertel immer noch den Eindruck, als hätten sie keinen Cent der milliardenschweren Transferzahlungen für den "Aufbau Ost" gesehen: Gleich hinter dem Innenstadtring beginnt die unendliche Einöde trister Plattenbau- siedlungen, zu denen holprige, mit Schlaglöchern übersäte Straßen führen, deren Asphaltbelag nur hie und da notdürftig mit Kopf- steinpflaster geflickt ist. Im Winter verströmen die Quecksilber- dampflampen in den hohen Straßenlaternen auch tagsüber ein orangegelbes Licht, das den Passanten auf den zerbröckelnden Bürgersteigen eine kränkliche Gesichtsfarbe verleiht.
Dort wohnen jene Menschen, von denen sich viele innerlich bereits von dem Aufbruch in die Zukunft verabschiedet haben, der andernorts im boomenden Freistaat Sachsen immer noch spürbar ist. Etwa in Leipzig."
Ich kenne die aktuellen Zahlen nicht, aber als ich mit meinem Studium angefangen habe, gab es unter den damals 28.000 Kommilitonen an der TU mehr Chinesen als Wessis - kein Wunder, bei solchen Artikeln, und eigentlich verdammt schade. Denn Dresden hat in Sachen Lebensqualität nicht nur für Studenten eine Menge zu bieten: an lauschigen Sommerabenden laden die ausgedehnten Elbwiesen mitten in der Stadt dazu ein, gemeinsam mit Freunden eine gute Flasche Wein zu genießen und dabei die angestrahlten Barockbauten am gegenüberliegenden Ufer zu bewundern. Das Kneipenviertel Neustadt dürfte in Deutschland ziemlich einzigartig sein und bietet für jeden Geschmack und Geldbeutel etwas, außer Plattenbauten. Die gibt es nämlich dort wie in vielen Dresdner Vierteln wenn überhaupt, dann nur vereinzelt. Die Mieten sind im Vergleich zu den alten Bundesländern niedrig, Prag und Berlin sind in zwei Stunden erreichbar, der gut ausgebaute ÖPNV bringt einen noch nachts um vier nach Hause, in der nahegelegenen Sächsischen Schweiz läßt es sich prächtig wandern und für das reichhaltige Kulturangebot ist Dresden ohnehin (und zurecht) bekannt.
Eine schweizer Freundin, die ein Jahr mit mir zusammen studiert hat, empfindet Dresden jedenfalls als eine der schönsten Städte überhaupt. Aber wer weiß - vielleicht sind die Zustände in ihrer Heimat Zürich auch so drastisch, und ihr fällt das ganze Elend schon gar nicht mehr auf...
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