Keine Frage - Werbeanrufe nerven ohne Ende. Trotzdem finde ich es regelmäßig ziemlich erschreckend, wie sich viele Leute den Anrufern gegenüber benehmen zu können glauben: da hört man dann schon mal Aussagen wie "Die sind Abschaum, und so müssen sie auch behandelt werden". Auf diese Art schlägt man den Sack und meint den Esel; den Auftraggebern solcher Werbekampagnen ist es scheißegal, wie mit ihren Angestellten umgesprungen wird.
Seit ich mal im Rahmen meines Studiums bei einer wissenschaft- lichen (!) Telefonumfrage mitgearbeitet habe, weiß ich, wie knallhart dieser Job ist. Wir haben damals jeweils vier Stunden telefoniert, und ich habe jede Minute davon gehaßt - weil man regelmäßig mit Typen zu tun hat, die einen für Abschaum halten und auch so behandeln. "Hauen Sie ab mit Ihren Scheißfragen!!!", "Kannst Du Dir vorstellen, daß wir andere Sorgen haben?!", und natürlich das allseits beliebte *klick* mitten im Satz.
Vielleicht ist da mein Fell nicht dick genug, aber nach so einer vierstündigen Schicht habe ich erstmal ein Bier gestürzt. Und mir geschworen: in Zukunft werde ich freundlich zu solchen Leuten sein, auch wenn ich keine Versicherungen, Glückslose oder günstigeren Telefontarife will. Dieser Arbeit geht man nämlich nicht nach, weil sie Spaß macht oder toll bezahlt wird, sondern weil man schlicht keinen anderen Job gefunden hat. Ich jedenfalls habe Respekt* vor jemandem, der sich acht Stunden am Tag anpöbeln läßt, statt fürs Nichtstun nur unwesentlich weniger Hartz IV zu kassieren.
SpOn berichtet in einem aktuellen Artikel über die Arbeitsbedin- gungen in der Telemarketing-Branche.
*Respekt ist nach Lektüre des Wallraff-Artikels (s.u.) vielleicht nicht der passende Begriff; Mitleid scheint mir angemessener.
Nachtrag: Lasse weist mich in einer Email auf einen ZEIT-Artikel von Günter Wallraff hin, in der er seine jüngste Undercover-Aktion be- schreibt: zwei Tage im Call-Center. Danke für den Tip!
|