Freitag, April 04, 2008

Senf gefällig?

Man kann mit gutem Grund der Meinung sein, daß das IOC gegenüber dem chinesischen Umgang mit Menschenrechten zu tolerant ist. Auch bei den Sponsoren der Olympischen Spiele würde man sich deutliche Stellungnahmen zugunsten der vielen inhaftierten Dissidenten wün- schen. Wer jedoch einen Boykott der Spiele fordert, oder denkt, China hätte gar nicht erst Austragungsort werden dürfen, sollte genauer hinschauen.
Zweifellos wird Peking das Mega-Event als Plattform nutzen, um sich selbst positiv darzustellen. Und es steht zu vermuten, daß durch den Zuschlag des IOC das Ansehen der Regierung in der eigenen Be- völkerung steigt. Diese Mechanismen konnte man schon 1936 im nationalsozialistischen Deutschland beobachten. Gleichzeitig fürchteten die NS-Eliten jedoch die internationale Aufmerksamkeit und versuchten, während der Spiele allzu offensichtliche Formen der Unterdrückung und des Terrors gegen die eigene Bevölkerung zu vermeiden.
Ähnliches gilt für das heutige China. Noch nie konnten sich Journalisten so frei bewegen - das mußte Peking im Vorfeld zusichern. Daß sich der Staat an dieses Versprechen hält, wenn auch sicher nicht in wünschenswertem Maße, belegt die omnipräsente Berichterstattung aus allen Winkeln des Landes. Und dieses permanente Negativ-Image tut den Machthabern mehr weh, als es ein einzelner großer Knall in Form eines Boykotts könnte, über den man sich nach wenigen Wochen schon wieder beruhigt hat.
Noch etwas kommt dazu: auch in Asien lebt es sich mit ruiniertem Ruf deutlich ungenierter. Will sagen, im Falle eines Boykotts gäbe es für China keinen Grund mehr, sich gegenüber der Opposition im eigenen Land zurückzuhalten. Ob das die Situation in Tibet ver- bessern würde? Man darf es bezweifeln.
Zusammenfassend kann man sagen: die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit, die mit den Spielen einhergeht, ist das Beste, was den Dissidenten in Tibet und anderswo passieren konnte. Ein Boykott ist daher der falsche Weg. Stattdessen sollten sich IOC und Sponsoren lieber zu klaren Statements gegen Menschenrechts- verletzungen durchringen. Ob es aber dazu kommen wird, ist fraglich - da sind dann doch zu viele wirtschaftliche Interessen im Spiel...