"Prey setzt neue Standards, die deine Sinne vollkommen um- krempeln."- soweit die Her- steller des Ego-Shooters über ihr Produkt. Neue Standards wären auch bitter nötig; seit Jahren dümpelt das Genre vor sich hin und kommt über graduelle Verbesserungen nicht hinaus. Ist 2K Games jetzt der große Wurf gelungen?
Die kurze Antwort lautet: nein. Wieder einmal kämpft man sich an einem linearen Handlungsstrang entlang durch die zugerümpelten, schlecht beleuchteten Gänge eines riesigen Raumschiffs. Auch die Waffen sind lediglich Varianten des altbekannten Arsenals von Sturmgewehr, Granatwerfer und was man seit Unreal sonst so auf Alien-Schiffen findet. Dazu kommt, daß die künstliche Intelligenz der Gegner im Großen und Ganzen recht bescheiden ausfällt.
Laune macht Prey trotzdem, denn was dem Shooter insgesamt an Originalität fehlt, macht er durch eine Menge Kreativität im Detail wett. Im Gegensatz zu vielen Neuerscheinungen der letzten Jahre hat man hier endlich mal wieder das Gefühl, daß auf den Spielspaß ebensoviel Wert gelegt wurde wie auf solides Handwerk. Das beginnt schon mit dem Helden, der eigentlich gar keiner sein will. Tommy ist zur Abwechslung kein bretthartes Kampfschwein von irgendeiner Spezialeinheit, sondern ein reichlich frustrierter junger Cherokee, der vor allem mal aus dem Reservat raus will. Das gelingt gründlicher als erhofft: über dem Himmel von Texas tauchen plötzlich seltsame Lichter auf, Tommy und seine Freundin werden gemeinsam mit vielen anderen Menschen an Bord von gigantischen Raumschiffen gebeamt und sollen dort zu Futter verarbeitet werden. Doch Tommy kann in das Gewirr von Korridoren entkommen und macht sich nun mit einer gefundenen Waffe auf den Weg, um seine Herzensdame zu retten. Dabei kommt ihm das spirituelle Erbe seines Volkes zugute: zu Beginn des Spiels begegnet er in einer Vision seinem toten Großvater, der ihn zum Geisterkrieger ausbildet...
Die Mischung aus Science Fiction und Wildwest-Romantik wirkt bisweilen krude, ist aber andererseits mal was neues und zudem liebevoll ausgearbeitet. Leider senkt sie auch den Schwierigkeitsgrad erheblich, denn im Falle eines frühzeitigen Ablebens wird man von den ewigen Jagdgründen wieder direkt ins Diesseits katapultiert und kann somit faktisch nicht sterben. Dadurch wird Prey nicht gerade zu einer großen Herausforderung.
Schön sind dagegen viele Kleinigkeiten am Rande, mit denen man sich bei der Entwicklung des Spiels spürbar Mühe gegeben hat. So kann man bei dem Fernseher in der Kneipe, in der man sich zu Beginn befindet, durch die Kanäle zappen, im Raumschiff findet sich irgendwann ein kompletter Schulbus, Tommy muß sich an einer Stelle, bei der die Schwerkraft per Kippschalter auf den Kopf gestellt wird, geräuschvoll übergeben- einige Beispiele von vielen. Solche Finessen finden sich dann auch bei den Gore-Elementen, die immer wieder eingestreut werden und die Altersfreigabe ab 18 trotz des an sich eher harmlosen Gameplays völlig rechtfertigen.
Technisch kann der Shooter dank Doom 3-Engine problemlos mit der Konkurrenz mithalten; die Optik wird subtil, aber wirkungsvoll durch das gekonnt in Szene gesetzte Schummerlicht geprägt. Überzeugende (amerikanische) Sprecher, gelungene Soundeffekte und ein Score, der eigens von dem Komponisten der Oblivion-Musik, Jeremy Soule, geschrieben wurde, runden die virtuell erzeugte Umgebung ab. Spannung oder gar Grusel will allerdings bedauernswert selten aufkommen. Woran das liegt- wer weiß? Die Zutaten sind vorhanden, aber möglicherweise ist das Design von Prey einfach zu verspielt, um den Puls wirklich hochzutreiben.
Fazit: es war nett, mal wieder einen Ego-Shooter zu zocken, der nicht den schalen Nachgeschmack von routiniert zusammengestelltem Fastfood hinterläßt. Zum Klassiker reicht es zwar nicht, aber unterhaltsam ist Prey durchaus.
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