Die Friedrich-Ebert-Stiftung hat eine Studie in Auftrag gegeben, die sich mit dem Maß an Akzeptanz von rechtsradikalem bis -extremem Gedankengut in der deutschen Gesellschaft beschäftigt. Dabei wurde das traditionell eher heterogene Gewirr an rechten Überzeugungen in sechs Grobkategorien unterteilt - Befürwortung einer Diktatur, Chauvinismus, Ausländerfeindlichkeit, Antisemitismus, Sozialdarwi- nismus und Verharmlosung des Nationalsozialismus - und jeweils drei Aussagen formuliert, zu denen die Befragten Zustimmung bzw. Ablehnung äußern konnten. Zum Beispiel: "Es gibt wertvolles und unwertes Leben." Die Studie ist an und für sich schon sehr interessant und kann hier als PDF-Datei heruntergeladen werden.
Sehr aussagekräftig ist aber darüber hinaus, wie unterschiedlich die Studie bei Spon und ZEIT online interpretiert wird. Beim Spiegel pflegt man seit Jahren hingebungsvoll zwei Feindbilder: Christen und Ostdeutsche. Letzteres wird auch im Artikel zur Studie deutlich. Dort ist Rechtsextremismus wie eh und je in allererster Linie ein Problem der neuen Bundesländer - dass die rechtsextremen Tendenzen deutschlandweit insgesamt rückläufig sind, sei darauf zurückzu- führen, dass der starke Rückgang im Westen die Zunahme im Osten kompensiert. Der ehemalige Spiegel-Chef Stefan Aust hatte zu diesem Thema schon vor Jahren schwadroniert, dass eine Heranführung an die Demokratie bei der jungen Generation in Ostdeutschland eben nicht gelungen sei. Diese Arroganz und Vorverurteilung begegnet einem bei Spiegel-Artikeln regelmäßig, wie auch das aktuelle Beispiel zeigt.
Zu deutlich anderen Rückschlüssen kommt man bei ZEIT online, wo gleich im ersten Drittel des Artikels die Autoren der Studie mit der Aussage zitiert werden, dass "Rechtsextremismus eben kein Ostproblem ist". Stattdessen "führt" Ostdeutschland zwar in den Kategorien Befürwortung einer Diktatur, Chauvinismus und Auslän- derfeindlichkeit, dafür sind in den alten Bundesländern antise- mitische, sozialdarwinistische und den Nationalsozialismus verharmlosende Einstellungen verbreiteter. Insgesamt schenken sich beide Landesteile nicht viel: Der Anteil der im Rahmen der Studie als rechtsextrem eingestuften Befragten liegen im Osten bei 7,9%, im Westen bei 7,5%. Entscheidender als eine Ost/West-Einteilung seien regionale Unterschiede. So liegen Bayern und Sachsen-Anhalt bei der Ausländerfeindlichkeit mit gut 39% gleichauf, und Antisemitismus ist vor allem in Süddeutschland anzutreffen.
Fazit: Auch in Westdeutschland ist es allerhöchste Zeit, aufzuwachen, mag der Spiegel Scheuklappen anlegen, wie er will. Denn auch das ist ein Ergebnis der Studie: Rechtsextremes Gedankengut hat die Tendenz, sich in den Köpfen zu verfestigen, wenn ihm nicht entschieden entgegengetreten wird. Und es betrifft eben nicht mehr nur die Skins mit Bomberjacke und Springerstiefeln, sondern längst auch die Mitte der Gesellschaft - Lehrer, Hausfrauen, Briefträger, die nette Oma von nebenan. Hier eine klare Stellung zu beziehen ist nicht nur die Aufgabe der Politik, sondern es geht uns alle an.
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