Heute nacht ist es so weit: die USA wählen einen neuen Präsidenten. In den Umfragen liegt zwar Barack Obama vorn, doch ist das mit Vorsicht zu genießen: Erstens können solche Umfragewerte dazu führen, dass potentielle Wähler von Obama zu Hause bleiben, weil die Sache scheinbar gelaufen ist. Diesen Effekt kennt man auch in Deutschland, und er hat in der Vergangenheit schon dazu geführt, dass klare Favoriten am Ende doch noch verloren haben.
Zweitens - und hier geht es nun um das spezifische Wahlsystem der USA - wird der Präsident bekanntlich nicht direkt gewählt, sondern durch ein Kollegium von Wahlmännern. Diese sind faktisch an den Wahlausgang gebunden, weshalb nur formal von einer indirekten Wahl gesprochen werden kann. Entscheidender ist im Hinblick auf die Umfragen, dass dabei die Entscheidung in den einzelnen Bundes- staaten den Ausschlag gibt, nicht das Gesamtergebnis. Deshalb hat Al Gore 2000 verloren, obwohl er mehr Stimmen als George W. Bush erhielt. Und deshalb ist es auch nur bedingt aussagekräftig, wenn sich in den Umfragen die Mehrheit der Gesamtbevölkerung für Obama ausspricht.
Dieser Effekt wird durch das in den USA geltende Mehrheitswahlrecht noch verschärft. Im Gegensatz zu Deutschland spielt es dort keine Rolle, mit wieviel Vorsprung ein Kandidat gewinnt - die Stimmen für die Gegenkandidaten werden bedeutungslos, und der Gewinner muss noch nicht einmal eine absolute Mehrheit erzielen, um sämtliche Stimmen der Wahlmänner eines Staates zu erhalten. Hinsichtlich der Umfragen bedeutet das: Wenn Obama (als Gedankenspiel) in "seinen" Staaten mit jeweils 90% führt und McCain in "seinen" Staaten nur mit 51%, liegt Obama in den Umfragen klar vorne. Trotzdem wird McCain gewinnen, wenn er am Ende insgesamt mehr Wahlmänner auf sich vereinen kann.
Für den Wahlausgang sind daher die sogenannten "Swing States" entscheidend, in denen kein Kandidat eine klare Mehrheit hat. Dort ist aber das Ergebnis naturgemäß kaum vorherzusagen. Und da die amerikanischen Wahllokale aufgrund der verschiedenen Zeitzonen nicht gleichzeitig schließen, kann das Ganze zu einem regelrechten Krimi ausarten, der sich über Stunden hinzieht. 2008 gilt bei den Swing States ähnliches wie bei den Umfragen: Obama hat die besseren Karten. In Sack und Tüten ist seine Präsidentschaft deshalb aber noch nicht. Wer die Wahl live mitverfolgen will, findet hier eine interessante Auflistung der voraussichtlich ausschlaggebenden Staaten samt Hintergrundinformationen und jeweiligen Schließzeiten der Wahllokale. (Link via)
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