Montag, März 23, 2009

Die Rezension der Woche

Manche Bücher gelten als nicht verfilmbar. Und manche Filme würden nicht als Buch funktionieren. Ein Beispiel dafür ist The Fall, das im Amerika der Zwanziger Jahre spielt: In einem kalifornischen Krankenhaus treffen sich das kleine Mädchen Alexandria und der junge Stuntman Roy. Beide sind Patienten, die sich bei einem Sturz verletzt haben; das Mädchen hat sich den Arm gebrochen, der Stuntman hat einen Wirbelsäulenschaden und wird vielleicht nie wieder gehen können. Roy denkt sich für Alexandria die fantastische Geschichte von fünf Helden aus, die nur durch eines geeint werden: Jeder von ihnen hat aus ganz persönlichen Gründen dem bösen Gouverneur Odious Rache geschworen. Gemeinsam machen sich die Fünf nun auf den Weg, den Schurken zur Strecke zu bringen.

Der Zuschauer erlebt diese Geschichte aus dem Blickwinkel der fünfjährigen Alexandria, durch deren Vorstellungskraft sich die Worte in grandiose, mitunter rauschhafte Bilder verwandeln. Interessant ist dabei der Ansatz des Regisseurs Tarsem Singh, auf jegliche Computereffekte zu verzichten und statt dessen real existierende atemberaubende Landschaften und großartige Gebäude wie das Taj Mahal entsprechend in Szene zu setzen. In der Folge staunt man nicht, weil man Dinge sieht, die es in echt nicht gibt - man staunt ganz im Gegenteil gerade, weil es sie gibt. Dafür waren elf Jahre Planung und vier Jahre Dreh in 18 Ländern nötig. Der Lohn dieses Aufwands ist mehr als ein visuelles Feuerwerk, das zwar ganz anders daherkommt als CGI-Orgien im Stil von Star Wars oder Herr der Ringe, aber auf seine Art nicht minder beeindruckt. The Fall ist darüber hinaus auch eine Ode an die kulturelle Vielfalt und Schaffenskraft der Menschheit.

Bei so viel hochverdientem Lob schmerzt das große Aber, dass an dieser Stelle kommen muss, besonders: Während man den Bildkompositionen die elf Jahre Planung ansieht, wirkt die Geschichte sehr unausgegoren, nebensächlich und kindisch - als stammte das Drehbuch tatsächlich aus der Feder eines mittelmäßig begabten Erzählers, der einem kleinen Mädchen die Zeit durch spontane Einfälle zu vertreiben versucht. Der Stoff hätte das Potential für ganz große Kinomagie, wie sie der Cineast in Filmen wie Hero oder Die fabelhafte Welt der Amélie erleben durfte. Statt dessen dient die Handlung vor allem als Alibi für eine Aneinanderreihung von opulenten Bildern. Und das ist in Anbetracht dessen, was hätte sein können, nicht nur unendlich schade, sondern geradezu ein Ärgernis.



Fazit: Tarsem Singh hat seinen großen Wurf gründlich vergeigt, denn er erzählt eine Geschichte, die für Erwachsene zu albern ist, in Bildern, die für Kinder zu düster sind. So erklärt sich, warum The Fall erst im März 2009 in unsere Kinos kommt, obwohl die Premiere bereits 2006 stattfand. Filmfreunde sollten das Ganze trotzdem sehen (und zwar unbedingt auf der großen Leinwand), denn die herausragenden Qualitäten des Werkes sind ebenso unbestreitbar wie all seine unnötigen Schwächen. Anschauen, staunen, bloß nicht darüber nachdenken!