Zum gestrigen Amoklauf selbst ist eigentlich alles gesagt, was man im ersten Moment sagen kann - und das ist wenig angesichts eines Verbrechens, das vor allem sprachlos macht. Diese Tatsache hält allerdings zahllose Möchtegern-Experten nicht davon ab, in den Medien sehr viel zu reden. Es sei daher aus aktuellem Anlass nochmal das Folgende zu den beiden Themen Waffenrecht und Egoshooter erläutert:
Dass es legal ist, 16 Waffen bei sich zu Hause zu haben, ist in der Tat diskussionswürdig - im Zusammenhang mit extremen Kreisen, die dadurch flächendeckend aufrüsten oder große Anschläge verüben könnten. Nicht jedoch im Hinblick auf Amokläufe: Da reicht eine einzige Pistole, wie gestern auf erschreckende Weise demonstriert wurde. Und eine weitere Verschärfung des Waffenrechts wäre im aktuellen Fall ungefähr so, als würde man die zulässige Höchstgeschwindigkeit in Ortschaften von 50 km/h auf 25 km/h senken, weil jemand in der Stadt mit 100 km/h ein Kind totgefahren hat. Will sagen: Der gestrige Amoklauf wurde nicht durch zu lasche Gesetze ermöglicht, sondern dadurch, dass sich der Vater des Täters nach momentanem Erkenntnisstand nicht an die bestehenden Vorschriften gehalten hat. Sinnvoll sind also verschärfte Kontrollen sowie ggf. verschärfte Konsequenzen bei Verstößen, aber nicht zwangsläufig verschärfte Gesetze.
Ebenfalls diskussionswürdig sind Egoshooter, wobei diskussionswür- dig hier nicht im Sinne von "die gehören eigentlich verboten" zu verstehen ist - dieser Meinung kann man in einem freien Land sein, muss man aber nicht. Erst recht nicht, wenn es explizit um Amokläufe geht: Ein Kausalzusammenhang lässt sich nicht alleine daraus konstruieren, dass (fast) alle Täter der letzten Jahre solche Spiele konsumiert haben, denn dieses "Merkmal" trifft auf einen großen Teil der männlichen Bevölkerung zwischen 15 und 35 zu. Ein Verbot von Egoshootern zur Verhinderung von Amokläufen entspricht einem generellen Verbot von Alkoholkonsum zur Verhinderung von häuslicher Gewalt: Dass Alkohol die Hemmschwelle prügelnder Ehemänner und Väter senkt, kann niemand bestreiten. Dass die Motivation, die eigene Frau zu verdreschen, in der Persönlichkeit und nicht im Feierabend-Bier begründet liegt, allerdings auch nicht.
Vielleicht wäre es gut, einfach ein paar Tage innezuhalten, die Polizei ihre Ermittlungsarbeit machen zu lassen und schließlich mit fundierteren Erkenntnissen und etwas mehr innerem Abstand über Ursachen und Lehren des Amoklaufs von Winnenden zu sprechen. Ach ja, und noch was: Liebe ARD, wenn Ihr nochmal ein Interview mit einer in Tränen aufgelösten Jugendlichen sendet, in deren Schule vor fünf Stunden mehrere Bekannte erschossen wurden (so geschehen im gestrigen "Brennpunkt" ab 20:15 Uhr), fahre ich persönlich nach Hamburg und schiffe Euch in den Briefkasten.
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