Stell Dir vor, die Außerirdischen kommen. Ihr riesiges Raumschiff füllt den Himmel über einer Millionenmetropole aus, und dann passiert - nichts. Drei Monate lang. Irgendwann beschließt die Regierung, doch einmal nachzusehen, was es mit dem schwebenden Koloss auf sich hat. Ein Loch wird in die Außenhülle geschweißt und Spezialeinheiten dringen mit vorgehaltener Waffe in die düsteren Korridore ein. Was sie finden, überrascht die Welt: 1,8 Millionen verängstigte Aliens, dem Hungertod nahe. Schnell wird klar, dass die fremdartigen Wesen nicht als Eroberer, Forscher oder Botschafter einer überlegenen Zivilisation gekommen sind, sondern einfach eine intergalaktische Fahrzeugpanne hatten und rein zufällig auf der Erde gestrandet sind. Was tun mit diesen ungebetenen Gästen, die eigentlich nichts anderes wollen als nach Hause fliegen?
Dieses reichlich ungewöhnliche Problem bildet die Ausgangssituation in District 9; der Film beginnt dreißig Jahre nach Ankunft des Raumschiffs über Johannesburg. Die südafrikanische Regierung hat die Aliens mittlerweile in einem eingezäunten Gebiet der Stadt (eben dem District 9) untergebracht und lässt sie von einem privaten Militär- und Sicherheitsunternehmen namens MNU bewachen. In der Praxis ist das noch weniger gastfreundlich, als es ohnehin schon klingt: District 9 ist ein Slum, in dem die abfällig als "Shrimps" bezeichneten Fremden unter gänzlich unwürdigen Umständen dahinvegetieren. Die MNU entpuppt sich als überaus brutale und zynische Organisation, die die Außerirdischen denkbar mies behandelt. Als die "Shrimps" dann von District 9 in ein 200 Kilometer entferntes Lager mitten in der Einöde zwangsumgesiedelt werden sollen, droht die Situation zu eskalieren...
District 9 spielt nicht zufällig in Johannesburg: Regisseur Neill Blomkamp ist dort aufgewachsen und hat sein Erstlingswerk als wenig subtilen Kommentar zur Apartheid konzipiert. Erfrischend realistisch ist dabei, dass die "Shrimps" in Folge ihrer Verelendung eigentlich keine Sympathie-Träger sind: (Klein-)Kriminalität ist an der Tagesordnung, immer wieder kommt es zu Konflikten mit der menschlichen Bevölkerung, die Bereitschaft zur Kooperation ist mittlerweile gänzlich abhanden gekommen. Blomkamp spiegelt jene Spirale aus gegenseitiger Verachtung und daraus resultierender Gewalt, die die Gegner bestimmter Minderheiten auf den ersten Blick ins Recht zu setzen scheint, gekonnt wieder, ohne jedoch zum Apologeten der Diskriminierung zu werden. Die geballte Ungerechtigkeit ist für den Zuschauer bei allem fragwürdigen Verhalten vieler "Shrimps" stellenweise nahezu unerträglich.
Die besondere Intensität verdankt der Film auch seinem semi-dokumentarischen Stil. Die Kameraführung erinnert an Live-Reportagen, immer wieder werden Interviews oder Nachrichtensendungen dazwischen geschnitten. Dadurch wirkt das Ganze ungemein realistisch, und man hat das Gefühl, nicht nur ein unbeteiligter Beobachter, sondern mitten drin zu sein. Zartbesaitete Gemüter seien an dieser Stelle gewarnt: Wie beim Bezug auf die Rassendiskriminierung verzichtet Blomkamp auch bei der Darstellung von Gewalt auf jedwede Subtilität - da platzen schon mal Köpfe und abgerissene Körperteile fliegen quer über die Leinwand. Hier fühlt sich der Cineast an die frühen Werke des Herr der Ringe-Regisseurs Peter Jackson erinnert, der als Produzent fungierte; eine Freigabe ab 18 Jahren wäre durchaus gerechtfertigt gewesen.
In solchen Momenten wird auch deutlich, dass District 9 eben nicht nur ein sozialkritischer Kommentar zur jüngeren Geschichte Südafrikas ist, sondern auch ein Science Fiction-Film mit ziemlich harten Action-Elementen. Glücklicherweise gelingt dieser Spagat, und man kann dabei kaum glauben, dass Blombergs Gesamtbudget "nur" bei 30 Millionen Dollar lag, so realistisch wirken die Computereffekte, Explosionen und Schusswechsel. Vor allem gegen Ende hin wäre hier jedoch weniger mehr gewesen, denn die Dramaturgie der Action-Sequenzen folgt dann zu sehr den altbekannten Hollywood-Strickmustern. Schade bei so einer originellen Grundidee - zu einem echten Ärgernis wird diese Schwäche aber nicht und lässt sich deshalb durchaus verschmerzen.
Fazit: District 9 ist alles andere als leicht verdauliche Kost und lässt den Zuschauer ziemlich verstört, ratlos und traurig zurück - vor allem deshalb, weil die dargestellten menschlichen Abgründe weit weniger überzeichnet sind, als einem lieb wäre. Und genau das macht ihn unter dem Strich so empfehlenswert. Dieser Film traut sich, anders zu sein und macht dabei nicht nur (fast) alles richtig, sondern kommt auch noch als großes Kino daher. Was kann man mehr verlangen? Für mich jedenfalls ganz klar der beste Film, den ich 2009 gesehen habe!
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