Kritiker des Internets stellen das Medium gerne als rechtsfreien Raum dar, in dem Filesharer und die Kinderpornomafia ungestört schalten und walten und man ungestraft alles über jeden verbreiten kann. Gerade bei letzterem Punkt wissen Blogger, dass die Realität ganz anders aussieht und man aufgrund von Aussagen in der virtuellen Welt oft viel schneller vor dem Kadi landet als bei Äußerungen im "echten Leben".
Aktuelles Beispiel ist ein Blogger, der sich abfällig über den Sportartikel-Hersteller Jako geäußert hatte und dafür eine Abmahnung über 1085 Euro bezahlen musste. Doch damit war die Sache nicht vorbei. Knapp vier Monate später kam eine zweite Abmahnung, diesmal in Höhe von 5100 Euro. Warum? Eine tschechische Seite veröffentlichte ohne Zutun des Autors Teile des auf der eigenen Seite längst gelöschten Blogeintrags, der den Streit verursacht hatte. Nach Auffassung der gegnerischen Anwälte sollte der Blogger auch dafür haften (im Detail könnt Ihr die Geschichte hier nachlesen).
Ob die ursprüngliche Abmahnung gerechtfertigt war, sei dahingestellt. Die Kernaussage der zweiten Abmahnung muss man sich jedoch auf der Zunge zergehen lassen. Zum Vergleich: Dass ich bestraft werden kann, wenn ich meinen Nachbarn öffentlich als Trottel bezeichne, geht grundsätzlich absolut in Ordnung. Gemäß der zweiten Abmahnung hafte ich aber zusätzlich, wenn irgendjemand diese Aussage wiedergibt, und sei es ein mir völlig Unbekannter am anderen Ende der Welt. Und die Strafe fällt wesentlich höher aus als für die ursprüngliche Beleidigung. Klingt irgendwie bizarr? Ist aber kein Einzelfall, und zwar auch bei Aussagen, nach denen außerhalb des Internets kein Hahn gekräht hätte.
Nun könnte man an dieser Stelle einwenden, dass es einem Betroffenen ja frei steht, sich juristisch gegen solche Machenschaften zu wehren. Das ist richtig - theoretisch. Denn während es auf der einen Seite Anwaltskanzleien gibt, die sich regelrecht auf Abmahnungen spezialisiert haben, sind die Blogger auf der anderen Seite in aller Regel irgendwelche Normalos, die nicht die Zeit und vor allem nicht das Geld für einen Streit durch mehrere Instanzen haben. Die Gerichtskosten für derlei Possen schießen schnell in eine Höhe, die weniger gut betuchte Menschen regelrecht in den Ruin treiben können. In der Praxis ist es daher klüger, zähneknirschend zu bezahlen und zu hoffen, dass dann Ruhe ist.
Vielleicht ist an der Behauptung, das Internet sei ein rechtsfreier Raum, doch etwas Wahres dran. Es fragt sich nur, wer da eigentlich vor wem geschützt werden müsste.
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