Es gehört ja mittlerweile bekanntlich zum guten Ton, Rauchen als das Übel schlechthin darzustellen (und ich habe mich in diesem Blog auch schon
oft genug darüber aufgeregt). Beschränkt, wie ich bin, verstehe ich da aber manches nicht - wie zum Beispiel, warum es kaum rauchfreie Kneipen gibt, wenn das doch angeblich alle wollen. Nein, ich meine jetzt nicht als gesetzliche Regelung; keine Verschwörungstheorien in den Kommentaren, bitte. Sondern nur so als ganz natürliche Folgeerscheinung der Marktwirtschaft. Schließlich kann jeder Wirt selbst entscheiden, wie er es mit dem Nikotin in seinem Betrieb hält.
Aber eigentlich geht es mir heute um etwas anderes. Warum tun alle so, als käme Zigarettenkonsum moralisch gleich nach Kinder-Be- grabschen, während Alkoholgenuß und -mißbrauch als völlig legitim gilt? Ich höre schon die Stimmen: "Christian, du Dummerle. Weil es kein Passivsaufen gibt!"
Wie gesagt, ich bin halt ein bißchen beschränkt und verstehe manches nicht. Aber wenn ich mal im schönen Freakviertel Friedrichstadt meinen Blick schweifen lasse und sehe, wie schwerst Alkoholabhängige (und im Gegensatz zu den 'schwerst Nikotin- abhängigen' trifft da zu, was die Formulierung impliziert) mit ihren Kindern unterwegs sind, denke ich: die Kleinen können ihr Leben lang abstinent bleiben, und sind trotzdem Opfer des Alkohols. Das ist halt so, bekunden dann jene Gutmenschen schulterzuckend, die noch vor fünf Minuten angesichts eines Aschenbechers von heiligem Zorn ergriffen wurden, was soll man machen?
Oder nehmen wir mal das Beispiel Alkohol im Straßenverkehr (das Thema Alkohol und Arbeitsunfälle klammern wir an dieser Stelle aus, weil es dazu keine zuverlässigen Statistiken gibt). Die 'Berufsge- nossenschaft Nahrungsmittel und Gaststätten', also gewissermaßen einer der Haupt-Dealer, veröffentlicht auf ihrer Homepage folgende Zahlen: 2001 wurden in Deutschland 64.300 Verkehrsunfälle registriert, bei denen mindestens ein Beteiligter unter Alkoholeinfluß stand. Bei 25.690 dieser Unfälle wurden 34.426 Menschen verletzt, 10.365 davon schwer. 909 Personen starben. Das ist jeder Achte Ver- kehrstote dieses Jahres.
Trotzdem gilt Alkohol hinter dem Steuer landauf, landab als Kavaliersdelikt. In vielen Kreisen kann Mann sich sogar noch Anerkennung verdienen, wenn er nach Hause fährt, obwohl er den Schlüssel kaum noch ins Zündschloß gekriegt hat. Ich denke in diesem Zusammenhang immer an die Geschichte eines ehemaligen Klassenlehrers, dessen Bruder im Rollstuhl sitzt, seit er von einem Betrunkenen überfahren wurde. Ob der wohl auch der Meinung ist, daß Alkohol nur den Konsumenten selbst schädigt?
Wo bleibt also hier die Empörung? Wer stellt sich hin und fordert ernsthaft die Null Promille-Grenze im Straßenverkehr? Das ganze Getue mit Alcopop-Steuern und Alkohol-Verbot für Fahranfänger ist scheinheilig und verlogen - gerade so, als würde das Saufen nur bei Jugendlichen Probleme verursachen, weil ja Erwachsene verantwor- tungsvoll damit umgehen können.
Ich persönlich trinke sehr gern mal ein Bier, und wenn ich am nächsten Tag nicht früh raus muß, auch ein zweites oder drittes. Mir geht es deshalb nicht um eine Neuauflage der Prohibition, sondern um eine Rückkehr zur Verhältnismäßigkeit, was das Rauchen angeht. Oder wenigstens zu konsequentem Verhalten. Bisher ist in der gesellschaftlichen Debatte weder vom einen noch vom anderen etwas zu sehen.